Jake Isaac: Eine Chance ist das, was du daraus machst

Interview mit Jake Isaac
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Manchmal sind Interviews so richtig spontan. Im Fall von Jake Isaac sassen wir ruckzuck in einem Zürcher Restaurant und noch bevor das Interview überhaupt begonnen hatte, war bestellt. Jake Isaac ist Singer/Songwriter und versteht es, Soul-Pop zu schreiben, der berührt. Das hat er kurz darauf beim Konzert im Mascotte gezeigt. (unsere Kritik). Während wir also auf das Essen warteten, sprach Jake über seine Musik und was ihm wichtig daran ist, er verglich das Publikum in den verschiedenen Ländern, erzählte von der Entstehungsgeschichte einiger Songs, wieso auf dem aktuellen Album kein Song den Albumtitel trägt und auf welche kommende Aufgabe er sich besonders freut. Auch über den Vorteil von Face Time konnte der charismatische Sänger etwas erzählen. 

 

Jake, du warst gerade erst in Deutschland, um deine Tour zu starten und hast bereits zwei Shows in der Schweiz gespielt.  

Ja genau, wir spielten in Lyss und Lausanne.  

Bemerkst du irgendwelche Unterschiede wenn du das Publikum in Deutschland mit dem Publikum hier in der Schweiz vergleichst?  

Ja. Hamburg war eine Riesenparty, Frankfurt war eine Riesenparty, Berlin war wirklich cool, die haben dort die Show und sich selbst völlig genossen. Leipzig, war auch cool, aber wiederum anders aufgrund von den verschiedenen Leuten. In Deutschland kommt es extrem darauf an, wo wir spielen. Hier in der Schweiz, zum Beispiel beim Konzert in Lausanne, habe ich einfach die Freude der Leute gespürt. Die Freude darüber, dass wir dort ein Konzert geben. Wir haben in sehr kleinen Locations gespielt und die Leute waren voll mit dabei. Wir haben auch ein Akustikstück gespielt. Die Schweizer sind wirklich sehr einladend und höflich. Die Shows sind ähnlich, aber doch mit Unterschieden.

 

Es gibt bestimmt auch Unterschiede zu Shows in England, oder? 

In England habe ich immer das Gefühl, dass ich die Konzerte neu überdenken muss. Zuhause ist es immer anders, aber immer noch gut.

  

Was bedeutet dir die Bühne? 

Auf einer Bühne zu spielen ist ein Privileg. Und wenn man bedenkt, wer alles auf der Bühne gespielt hat, bevor ich da auftrat … auch heute Abend: weshalb sollte ich jetzt dort spielen? (Jake hat im Mascotte gespielt. Anm. der. Red.) Die Tatsache, dass Leute rauskommen, um eines deiner Konzerte zu sehen ist ein Privileg. An Festivals ist es ein bisschen anders, weil die Leute sowieso dort sind, aber wenn jemand kommt, um dir zuzuhören – das ist eine Ehre. Egal, wie gross oder klein die Bühne ist, ich arbeite hart, ich gebe alles, weil die Leute kommen und mir zuhören. Ich gebe mein Bestes um sicherzustellen, dass sie meine Auftritte geniessen. Ich komme auf die Bühne und schütte mein Herz aus und alles was ich habe.

 

 

Ich arbeite hart, ich gebe alles, weil die Leute kommen und mir zuhören.

 

 

Kannst du das bei jeder Show gleich gut? 

Ja, deshalb bin ich jetzt müde (lacht). Ich versuche es zumindest. Wir alle versuchen es, meine Band und ich.  

Du hast vorhin erwähnt, dass du ein Akustikstück gespielt hast und bei einigen deiner vergangenen Auftritte hast du ein Stück inmitten des Publikums gespielt. Geschehen diese Momente spontan, behältst du dir diese Möglichkeit im Hinterkopf und schaust beim Gig, was geschieht? 

 

Ja. Manchmal kommt es auch auf die Leute und auf die Grösse des Raumes an. Wenn zum Beispiel 500 bis 600 Leute im Raum sind, dann kannst du darin verloren gehen (lacht). Ich versuche, spontan zu bleiben. Vielleicht wird es einmal dazu kommen, dass ich das nicht mehr machen kann, weil die Räume zu gross sind. Wenn ich es aber machen kann, mache ich es, wenn nicht, dann ist das auch kein Stress. 

So bleibt es auch speziell für das Publikum, wenn man merkt, dass solche Momente nicht geplant sind.

 

Total. Das ist mir total wichtig. So viele Dinge sind bei Konzerten heutzutage geplant, ich möchte lieber spontan bleiben und die speziellen Dinge beibehalten. Rede ich etwa zu viel?

 

Nein, keine Sorge, alles gut. (wir lachen) Du bist gerade erst Vater geworden – Herzliche Gratulation!  

Yeah, man. Dankeschön.

 

Wie schaffst du es, Musik und Familie zu kombinieren? Ist das manchmal nicht schwierig? 

Eeeehm. Yeah.

 

Ich meine, du könntest zum Beispiel die ersten Schritte verpassen.

 

Mein Bassist ist ein Dad und sein Sohn hat gestern begonnen zu laufen. 

Macht dir das keine Angst?

 

(überlegt lange) Doch. Es ist nicht einfach, weisst du. Manchmal kann ich nicht mit meiner Familie kommunizieren, weil es Nichts hilft. Ich würde sie dann nur noch mehr vermissen. Das Gute an dem, was ich mache, ist, dass ich mein eigener Boss bin. Zum Beispiel bin ich nach zehn Tagen Tour für 24 Stunden nach Hause geflogen, um Zeit mit meiner Familie zu verbringen, den Kleinen ins Bett zu bringen und bin am nächsten Morgen wieder zurück geflogen. Ich kann das immer machen, momentan sind es nur eineinhalb Stunden Flug. Es gibt immer einen Weg und dass es Face Time gibt, ist ein Traum.

 

 

Liebeserlebnisse können grausam sein und ich bin nicht der Beste darin und lerne immer wieder dazu.

 

 

Ja, die gute Technologie.  

Total. Also ja, irgendwie schaffe ich es, die zwei Sachen in meinem Leben miteinander zu verbinden. Es ist hart aber ich muss mich auch auf die Musik fokussieren.  

Schön, wenn es so gut klappt. Anfang Mai hast du dein erstes Album auf den Markt gebracht. Weshalb hast du «Our Lives» als Titel gewählt?

 

(schmunzelt) Du bist die Erste und Einzige, die mich das je gefragt hat. 

Ja, das nimmt mich wirklich Wunder. Ich habe mir das Album angehört und dachte mir, dass es zwar «Our Lives» heisst, es aber keinen einzigen Titel mit demselben Namen darauf gibt.  

Ich betrachte das Album wie ein Buch. Jedes Buch hat verschiedene Kapitel. In diesem Falle sind die Songs die Kapitel, das Buch heisst «Our Lives». Jedes der Kapitel bezieht sich auf einen Teil deines Lebens, einen Teil meines Lebens, das Leben von ihm und ihr. Ich habe «Our Lives» gewählt, weil es die Songs auf dem Album besser zusammenfasst, als wenn es ein Lied geben würde, welches «Our Lives» heisst. Ich wollte das Album so nennen, weil ich wollte, dass die Leute eine gewisse Beziehung dazu aufbauen können. Ich sage oft «Kein Problem, wenn dir nicht das ganze Album gefällt. Ich will nur, dass dir ein einziger Song daraus gefällt. Wenn du diesen einen Song findest, darfst du den Rest hassen. Ich hoffe nicht, dass du das machst, aber bitte finde diesen einen Song. Denn wenn da nur ein Lied ist, das dir gefällt, ist das bereits genug gut für mich. Das wäre wunderbar.»

 

Ich mag die Idee, dass jeder Song ein Kapitel ist und möchte deshalb zwei Lieder ansprechen. Eines davon ist «Will You Be», in dem du jemanden um Liebe bittest. Du bittest die Person, bei dir zu sein und bei dir zu bleiben. Der andere ist «Better This Way», (Jake lacht), in dem du über das komplette Gegenteil singst. Wie kommt es zu diesen extremen Kontrasten?

 

Nun ja. Ich habe diese beiden Songs selbst erlebt. Es war in einer Zeit, als ich Verpflichtungen nachgehen wollte aber ich einfach scheisse darin war. Mit «Better This Way» wollte ich sagen «Ich werde dich erneut verletzen, es ist das Beste, wenn ich nicht bei dir bleibe. Womöglich verstehst du es jetzt nicht, aber ich bin kein guter Mensch für dich. Wenn ich bei dir bleibe, werde ich dich irgendwann wieder verletzen und du wirst mich und dich selbst hassen.» Ja, ich habe beide Songs erlebt und zum selben Zeitpunkt sah ich auch Freunde von mir in einer dieser Situationen stecken. Du bist übrigens schon wieder die Einzige, die mich je nach diesen beiden Songs gefragt hat. Das ist witzig, denn eigentlich schreibe ich keine Songs über meine eigenen Geschichten. Wenn mich jemand fragt, worüber ich ein Lied geschrieben habe, sage ich es meistens nicht. Bei diesen beiden Titeln habe ich realisiert, dass von mir selbst handeln. Liebeserlebnisse können grausam sein und ich bin nicht der Beste darin und lerne immer wieder dazu.

 

… jeder von uns.

Ach komm schon, einige sind darin besser, als andere.  

 

Wenn da nur ein Lied ist, das dir gefällt, ist das bereits genug gut für mich.

 

 

Danke für deine ehrliche Antwort. Du hast gesagt, dass du keine Texte über dich selbst schreibst. Wie entstehen denn deine Songs? Woher kommen die Ideen?

 

Ohhh (überlegt lange). 

Oder gibt es Orte, an denen du besser schreibst, als an anderen?

Manchmal kommen die Ideen im Bad, manchmal im Zug. Manchmal kann ich aber auch etwas kreieren, wenn ich mir Zeit nehme und alleine im Studio arbeite. Zum Beispiel bei «Better This Way» war ich mit jemand anderem am Songwriten. Wir schrieben an einem anderen Song. Dann ging er Mittag essen und ich habe begonnen, alleine einige Chords zu spielen. Diese Akkorde haben mich zum Weinen gebracht und der ganze Song entstand. In einem fremden Studio, wenn ich eigentlich mit jemand anderem einen anderen Song schreiben sollte.

 

Da kann man sagen: «es passiert einfach».

Total. Wenn ich es erzwinge, passiert gar nichts.  

Wenige Tage, nachdem dein neues Album erschienen ist, hast du bekannt gegeben, dass du im Juni mit Elton John auf Tour gehen wirst. Ist das nicht verrückt?

 

Es ist verrückt. Es ist eine Ehre, ich freue mich darauf, aber im selben Augenblick bin ich gechillt. Nicht gechillt, dass das keine grosse Sache für mich ist. Sondern eher im Stile von „«Cool, lasst uns hart dafür arbeiten und uns darauf konzentrieren. Wie machen wir das, was muss erledigt werden, um diese Chance am besten zu nutzen? Was muss ich tun, damit Leute, die sich nicht für mich interessieren, von der Show nach Hause gehen und sagen ‚Yeah, lass uns den abchecken‘?» Ich denke, dass jede gute Chance nur eine gute Chance sein kann, wenn du hart dafür arbeitest. Sonst könnte es jeder machen. Also, eine Chance ist das, was du daraus machst. Aber ja, es ist wirklich eine Ehre (lacht).

 

Und zum Schluss: Gibt es eine Frage, die du bisher in einem Interview nie beantworten musstest, du aber gerne dazu etwas sagen würdest?

 

Das ist eine gute Frage (überlegt lange). Wo sehe ich mich in fünf Jahren? Ich habe keine Ahnung. Wenn ich bis dahin immer noch Musik mache, hoffe ich, dass ich mindestens zwei weitere Alben veröffentlicht habe. Und dass ich Musik mache, die grösser ist, als das, was ich jetzt tue. Akustisch grösser, Publikums-grösser, Lyrics-grösser. Ich möchte auf dem, was ich bereits habe, weiter aufbauen.

 

Klingt gut, ich bin gespannt. Danke, Jake, für deine Zeit. 

Oh nein, ich danke dir, das war mir ein Vergnügen.

 

Jake Isaac - «Home»

 

 

- Alle Informationen zu Jake Isaac gibt es auf seiner Website.  

 

Rahel Inauen / Mo, 29. Mai 2017